Christen in SyrienZwischen Konfessionalismus und Islamismus

Viele Jahre lang galt in Syrien das laizistische Staatssystem: Minderheiten und darunter die Christen wurden fair behandelt. Durch den siebenjährigen Bürgerkrieg und das Zerfallen der bisherigen politischen Strukturen wurde einem innerislamischen Konfessionalismus Vorschub geleistet. Dadurch wächst die Macht des Islamismus und die Christen in Syrien geraten immer weiter unter Druck.

Demonstration gegen Krieg in Syrien
© KNA-Bild

Friede den Männern und Frauen im gemarterten Syrien, wo allzu viel Blut vergossen wurde." Der eindringliche Appell von Papst Franziskus am ersten Weihnachtstag 2016 zeigt, wie es um Syrien steht. Während nach der „Befreiung" Aleppos Russland schweres militärisches Gerät zurückzieht, droht in den neuen Rebellenhochburgen um Idlib eine brandgefährliche Eskalation.

Leidtragende sind alle Bevölkerungsteile, nicht nur die Christen. Auch wenn ein Friede nach wie vor nahezu aussichtslos erscheint, bleibt die Frage, was mit der christlichen Minderheit, die immerhin fast zehn Prozent im Land ausmacht, passiert, wenn die Waffen eines Tages dauerhaft schweigen. Wird ihr ein ähnliches Schicksal zuteil wie im benachbarten Irak, wo die christliche Bevölkerung seit dem Sturz Saddam Husseins um mehr als 70 Prozent geschrumpft ist?

Als Syrien am 9. September 1936 von Frankreich unabhängig wurde, gelang die neue Freiheit kaum: Bis heute wirkt die 1943 vom Damaszener Christen Michel Aflak (1912–1989) entworfene Doktrin der Baath-Partei, die Syrien – besonders unter dem Regime Assad – beherrscht. Obwohl das 21. Jahrhundert gerade die politisch-arabisch-nationalen Doktrinen zu überwinden geglaubt hatte, ist die Idee der Baath nach wie vor stark präsent: Sie versucht eine nationale und grenzübergreifende Grunderneuerung sowie die Einheit im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich zu verwirklichen.

Die vermeintliche Effizienz liegt in der nationalbetonten, jede Religionsgrenze ignorierenden Ideologie, die gegenüber der islamischen Tradition völlig ungewöhnlich den Staat gleichsam sakralisiert. Die erstmals 1955 offiziell in Syrien zugelassene politische Kraft sah in der kommunistischen Bewegung eine Konkurrenz, konnte sich aber mit seinen panarabischen, supranationalen und zugleich sozialistischen Ambitionen mit anderen arabischen Staaten arrangieren.

Durch die politische Union Syriens mit Ägypten (1958–61) übernahm Kairo das Handeln in beiden Ländern. Pressezensur, wirtschaftlicher Niedergang und die Unterdrückung von ethnischen und religiösen Minderheiten waren die Konsequenz. Jede kirchliche Mission wurde untersagt und per Gesetz die Benutzung von (auch christlichen) Büchern verboten, wenn sie „im Gegensatz zum arabischen Nationalgeist die öffentliche Ordnung und Moral oder Religion und Glauben in Frage stellen." Auch nach dem Ende des Staatenbündnisses blieben die Christen unter Druck. Putschversuche radikaler Baath-Flügel führten 1966 zu einer extremen Bedrängnis der christlichen Minderheit. Mit dem Erlass Nr. 127 vom 9. September 1967 sorgte das Erziehungsministerium für die Enteignung der christlichen Schulen und für die alleinige Kontrolle durch den Staat. Die Regierung setzte Polizei und Militär ein, um die Gebäude gewaltsam zu beschlagnahmen, außerdem ordnete sie die Observanz kultureller Gruppen und von Katechetenschulen an. Die Repressalien gipfelten in der Weigerung von Beamten, christliche Namen in Behördenpapiere einzutragen.

Folgen des Bürgerkrieges

Mit dem Verlust der Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 musste die Regierung ihr nationales Trauma überwinden. Inneren Unruhen begegnete man, indem Mitglieder des gemäßigten nationalen Flügels in die politische Verantwortung genommen wurden. Zu diesen Neuen zählte auch der Verteidigungsminister: Hafiz al-Assad, Angehöriger der religiösen Minderheit der Alawiten, die schiitischen Ursprungs sind. Am 13. November 1970 setzte er sich in einem Machtkampf durch, die linke Führung der Baath-Partei wurde ausgeschaltet. Ein gesetzgebendes Gremium verfügte die Verfassungsklausel, nach der der Präsident islamischen Glaubens sein muss. Assad selbst sorgte für die Tilgung der Formulierung, dass der Präsident „dem Islam sunnitischer Richtung angehören" müsse.

Am 30. Januar 1973 verabschiedete der Volksrat eine Verfassung, die Syrien als „demokratisch-sozialistisch-souveränen Volksstaat" und präsidiale Republik bezeichnet. Die Verfassung erkennt keine nationalen Minderheiten an, gewährt aber nach § 35 allen Bürgern Glaubensfreiheit. In Syrien ist der Islam nicht Staatsreligion, da nach § 3 der Verfassung alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Allerdings wird betont, dass die islamische Rechtslehre eine Hauptquelle der Gesetzgebung sei. Immerhin erhielt jede Religionsgemeinschaft ein eigenes Personalstatut, durch das eine zivilrechtliche Jurisdiktion im Familien- und Personalbereich ausgeübt werden kann. Ungeklärt blieb immer die Kurdenfrage, die sich im jetzigen Bürgerkrieg zu einer entscheidenden Kraft entwickelt.

Bis heute ist die Verfassung mit ihrem laizistischen Staatssystem in Kraft, das die Christen fair behandelt hat. In Syrien gilt das Prinzip: Die regierende Minderheit garantiert, die anderen Minderheiten vor der Mehrheit zu schützen. Die einst in den Sechzigerjahren verfolgten Christen in Syrien genossen jetzt staatliche Protektion und beteiligten sich am Prinzip: als Minderheit den Präsidenten mit dessen alawitischer Religionsminderheit zu stützen. Das System Assad baut dabei bis heute auf hundertprozentige Loyalität. Der Clan garantiert die Macht, die mit brutaler Gewalt, erschreckenden Menschenrechtsverletzungen und militärischen Einsätzen gegen die eigene Bevölkerung durchgesetzt wurde. Als Hafiz am 10. Juni 2000 starb, trauerten Muslime und Christen in Syrien geeint. Bereits am 17. Juli wurde der 34-jährige Bashar als neuer Präsident vereidigt und zunächst sah es ganz danach aus, als erlebe das Land eine neue Blüte. Vom „Damaszener Frühling" sprachen die ersten – also bereits ein Jahrzehnt vor dem „Arabischen Frühling" –, von Kontinuität die anderen.

Trotz mancher Öffnung macht sich bei den Christen seit fast zwei Jahrzehnten in Syrien jenes grundsätzliche Problem breit, das alle Länder des Nahen Ostens betrifft: Der schleichende christliche Exodus ist kaum zu stoppen. In Syrien leben rund 21 Millionen Menschen, offizielle Zahlen sind kaum zu bekommen. 90 Prozent bekennen sich zum Islam, von ihnen sind wiederum 75 Prozent Sunniten, die Alawiten machen ungefähr 15 Prozent aus. Zu den zehn Prozent Christen (syrisch-orthodox, griechisch-orthodox, armenisch-apostolisch, griechisch-katholisch, Lateiner) kommen einige Hundert Juden hinzu.

Dennoch ging es den Kirchen am Vorabend des Bürgerkriegs vergleichsweise gut. Juristisch ermöglichte die Regierung Assad bereits seit den Siebzigerjahren, dass den Kirchen das Recht auf Eigentum ebenso gestattet ist wie die Verbreitung publizistischer Erzeugnisse, die sich auf kirchliche Fragen beschränken. Finanziell sind die Konfessionen auf Beiträge ihrer Mitglieder angewiesen, darüber hinaus engagieren sich die Kirchen im Bildungs- und Erziehungsbereich und in der Bereitstellung medizinischer Grundversorgung. Kleinere Krankenhäuser sind genauso in christlicher Hand wie Sozialeinrichtungen, Behinderten- und Pflegeheime. Den Caritaseinrichtungen kommt dabei eine bis heute unverzichtbare Aufgabe zu. Damit die religiöse Erziehung gesichert ist, halten die Kirchen Sonntagsschulen ab. Der Bürgerkrieg hat durch Bedrängnis und Repressalien die Konfessionen näher zusammenrücken lassen. Mit Bibelgesprächen, Glaubensunterweisung und einer gezielten Jugendarbeit haben die Kirchen in den vergangenen Jahren neuen Zulauf bekommen. Häufig sehen Jugendliche gerade von der Kirche grundlegende Werte und Zukunftsperspektiven vermittelt, wo der sozialistische Staatsapparat mit seinen politischen Einseitigkeiten versagt. Es wird deshalb an den Kirchen liegen, künftig für eine zusätzliche intellektuelle und politisch denkende Schicht in der Bevölkerung Sorge zu tragen, die auch späteren Regierungen die christlichen Minderheitenanliegen zu vermitteln vermag.

Im siebten Jahr nach Beginn des Krieges treibt eine dreifache Dimension die christliche Minderheit zwischen die Fronten. Durch den Bürgerkrieg erfolgte eine radikale Destabilisierung des Gemeinwohls. Das Zerfallen bisheriger Macht- und Clanstrukturen schärft die Konflikte zwischen den islamischen Richtungen. Das alte System, nach dem die alawitische Minderheit die sunnitische Mehrheit dominiert, ist nicht länger akzeptiert. Folglich konnten sich religiös gefährliche Ränder bilden, die heute bereits staatsbestimmend sind.

Als nichts anderes muss man die Terrorherrschaft des sogenannten Islamischen Staats bezeichnen. Dieser innerislamische Konfessionalismus definiert den Staat ausschließlich über die religiöse Identität. Gerade das gab den über Jahrzehnte mit Gewalt von Assad unterdrückten Muslimbruderschaften den erstaunlich raschen Aufschwung. Was als laizistischer Staat trotz aller Bevorzugung des Islam funktionierte, ist jetzt zum brandgefährlichen Konfessionalismus verkommen: Sunniten und Alawiten bekämpfen einander, religiöse und ethnische Gruppen stehen sich gegenüber. Der Vormarsch des Islamismus ist kaum zu stoppen.

Der Bürgerkrieg bringt daneben dramatische Auswirkungen von Flucht und Vertreibung mit sich. Dabei sind Muslime wie Christen gleichermaßen die Leidtragenden. 6,6 Millionen Binnenflüchtlinge und 4,9 Millionen Syrer, die in die Nachbarländer geflohen sind, zeigen: Jeder zweite Syrer ist von Flucht betroffen. Hinzu kommen jene Flüchtlinge, die nach dem Irakkrieg 2003 ins Land kamen: 700 000 waren es, von denen noch rund 50 000 in Syrien leben.

Der Bürgerkrieg ist schließlich längst vom politischen Kampf um Machterhalt und religiösen Fanatismus zu einem geopolitischen und wirtschaftlichen Konflikt geworden. Die Interessen Russlands und der Türkei mögen vordergründig politischem Kalkül entspringen. Beide Länder haben wie die USA erhebliches Interesse an den bisher kaum geborgenen aber georteten Bodenschätzen wie Gas und Öl. Das Zusammenspiel Moskaus und Ankaras gefährdet gleichzeitig die Interessen Teherans in Syrien. Der lange Arm der iranischen Schiiten reichte, die Alawiten stützend, über Syrien bis zur Hizboullah im Süden des Libanon. Saudi-Arabien will diesen schiitischen Vormarsch stoppen und die Sunniten stärken.

Die über Jahrzehnte von der internationalen Staatengemeinschaft totgeschwiegene Kurdenfrage kann hier nur genannt werden. Sie spielt eine wesentliche Rolle in der Lösung der syrischen Krise. Die geopolitischen Auswirkungen des Gesamtkonflikts, das Zerfallen alter Staatenmodelle und die Suche nach neuer – souveräner und gesellschaftlicher – Identität sind in vollem Gange. Die Nation stiftet Identität – nur glaubt daran nach Jahrzehnten des Assad-Regimes niemand mehr in Syrien. Davon wiederum profitiert der politische Islam, der sich als identitätsstiftende Kraft in der Region versteht und dadurch Legitimität in der Bevölkerung erhält, zum Nachteil der christlichen Einwohner. Die gespaltene Gesellschaft und die gespaltenen Religionen führen dazu, dass man nach „seiner" Religion sucht. Letztlich droht der Kampf um Identität durch einseitige religiöse (islamische) Definition die eine Gesellschaft zu zerstören.

Während vieles in der arabischen Welt nicht mehr klar ist, hat sich eines gezeigt: Die politischen Ideologien der vergangenen 50 Jahre haben sich als nicht tragfähig erwiesen. Vom ägyptischen Nasserismus ist eben so wenig übriggeblieben, wie von einer tragfähigen Basis der Baath-Ideologie, deren Demokratie- und Menschenrechtsferne unübersehbar ist. In dieses Vakuum der politisch definierten und reflektierten Ideologien ist die Religion getreten: eine Form von Konfessionalismus und Islamismus, die heute die Region bestimmen und zum Zerfall gebracht haben. Weil die Kirche in Syrien meistens auf den starken Staat vertraut hat, der Kultfreiheit (seit 1970) garantierte, sind Unsicherheit und Angst der christlichen Minderheit umso verständlicher, vor allem die Sorge vor dem Verlust einer vom Staat garantierten Freiheit.

Das erklärt, warum Kirchenführer in diesem Bürgerkrieg häufig dezidiert Partei für Assad ergriffen. Die Bischöfe aber müssen versuchen, die Balance zu wahren: Nähe zum Regime, aber auch Kritik am Regime, um den möglichst größten Freiraum für die eigene Minderheit aufrechtzuerhalten, egal wohin das politische Pendel ausschlägt. Der Ruf nach einer Intervention der internationalen Staatengemeinschaft ist von allen Konfessionen zu hören, gleichzeitig warnen die Christen Syriens vor einer einseitigen Einmischung aus dem Westen. Wladimir Putins Russland als wichtigster Partner von Damaskus zeigt Präsenz: Die orthodoxe Kirche in Moskau könnte bald ein neuer Spieler in diesem Konflikt werden, oft genug hat sie ihren Segen für Putins militärische Interventionen gegeben.

Christenverfolgung?

Noch ist es zu früh für die These, dass Christen systematisch verfolgt werden. Immer mehr der wirtschaftlich gut situierten Christen, meist bestens ausgebildet, gehen ins Ausland. Schätzungen, die allerdings jeder statistisch gesicherten Grundlage entbehren, vermuten eine halbe Million Christen, die Syrien verlassen haben sollen. Tatsächlich ist es zu Übergriffen gekommen, in speziell von Christen bewohnten Stadtvierteln Aleppos und Homs. So gibt es aber auch ganze Landstriche, in denen kaum Christen gelebt haben. Der einzige syrisch-orthodoxe Christ aus Palmyra ist längst geflohen, das Mahnmal für die Opfer des Armenischen Genozids in der heutigen IS-Hochburg Deir-Zor wurde vor drei Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Erinnert werden muss auch an die Entführungen von Christen: Erzbischof Ibrahim Hanna von der syrisch-orthodoxen und Erzbischof Boulos Yazigi von der griechisch-orthodoxen Kirche, Pater Paolo dallOglio, der seit fast vier Jahren verschleppt ist. Im April 2014 wurde der engagierte Jesuit Frans van der Lugt in Homs erschossen.

Trotz all dem bleibt es beeindruckend, was die Kirche für die Menschen im Krieg vor Ort leistet. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, konnte sich im April letzten Jahres selbst davon überzeugen, als er für zwei Tage in Damaskus war. Es sind vor allem junge Christinnen, die in Damaskus bleiben, um dort Lazarette für die Caritas zu betreiben. „Hier wird eine Arbeit geleistet, die ihresgleichen sucht. Bei meinen Gesprächen gerade mit jungen Syrerinnen und Syrern habe ich gespürt, dass diese Generation die künftige Zivilgesellschaft mit aufbauen will. Besonders die Priester und Ordensleute bleiben bewusst im Land. Gerade die Priester haben eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft. Mein Appell ist: Der Nahe Osten darf nicht zur christenfreien Zone werden", sagte Schick damals in Damaskus.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich mit ihrer Initiative „Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit" 2015 dem Schwerpunkt Syrien gewidmet. Und auch der Heilige Stuhl wird im Syrienengagement nicht müde. Die Botschaft des Vatikans in Damaskus ist seit Beginn des Bürgerkriegs die einzige diplomatische Vertretung eines europäischen Landes, das nicht seine Pforten geschlossen hat. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Mario Zenari, harrt in Damaskus seit 2009 aus. Papst Franziskus würdigte dieses Engagement mit der Ernennung zum Kardinal. Bereits im September 2013 lud er zu einer Gebetsvigil für Syrien auf den Petersplatz. Seine Diplomaten hat er angewiesen, den Raum für Friedensverhandlungen bereitzustellen, wenn das von den Parteien gewünscht wird.

Im Syrien nach dem Krieg ist die Gefahr groß, dass es für die Christen kaum noch Platz gibt, obwohl sie gerade im Krieg mit ihrem starken karitativen Engagement zeigen, dass sie am Aufbau der Zivilgesellschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen wollen. Derzeit scheinen drei Szenarien denkbar.

Zum einen wird ein Friedensprozess nicht möglich sein ohne Assad. Das hat die Koalition zwischen Damaskus und Moskau in den vergangenen Monaten mit dem Fall Aleppos gezeigt. Eine Regierung Assad des Übergangs wäre eine Option, die deutlich machen muss, dass das jahrzehntealte, in sich zerfallende und aussichtlose Clansystem zum Abtreten bereit ist. Wenn dann Demokratie in Syrien möglich wird, darf nicht der Fehler gemacht werden, wie nach dem Sturz Saddam Husseins, als die USA eine neue Verfassung zuließen, die das laizistische Staatssystem zugunsten eines Islam als Staatsreligion aufhob.

Auch ein Frieden ohne Assad, also ein Syrien in Rebellenhand, würde nur weitere Fronten zu noch längeren Bürgerkriegen eröffnen. Zu zersplittert sind Rebellen- und Terrorgruppen, um jemals zu einer Regierung der nationalen Einheit zu kommen. Für die Christen wäre das ein Desaster.

Zum anderen bleibt die Frage, ob ein Frieden durch Spaltung des Landes möglich und sinnvoll ist? Es wäre eine dramatische internationale Kapitulation, würde man den Osten Syriens in die Hände des IS abschreiben. Das käme dem Sieg des Terrors über die Vernunft gleich. Ob aber die Schaffung neuer Staaten in der Region die Lösung ist, bleibt fraglich. Sicherlich wird man über Teil­autonomien, zum Beispiel für die Kurden, verhandeln. An einem neuen Syrien müssen alle Volksgruppen, Religionen und Ethnien mitwirken, nur so – mit politischem Willen, der Überwindung von Konfessionalismus und der Versorgung der Zivilbevölkerung – wird man den IS effektiv bekämpfen und den Staat aufbauen können. Ob es dann Schutzzonen mit Autonomien für Christen geben soll, wie derzeit im Westen des Irak angedacht, bleibt momentan fraglich. Syrien braucht politische und gesellschaftliche Integration, nicht Separation.

Ein vom syrischen Staat herausgegebenes Plakat anlässlich des Besuchs von Papst Johannes Paul II. 2001 zeigt das Land in seinen Grenzen auf dem Hintergrund einer der ältesten Tontafeln des antiken Ugarit und den Papst selbst. Im Untertext ist zu lesen: „Syria – Cradle of Christianity." Ein weiteres Plakat spricht im Untertext von „Cradle of civilizations and faiths". Die Wiege der Zivilisation ist in der Tat im Zweistromland zu finden und auch die Aussage der Wiege des Christentums ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kirchen verweisen bis heute nicht ohne Stolz auf die ununterbrochene christliche Tradition. Toleranz und Koexistenz haben das christlich-islamische Verhältnis über Jahrhunderte geprägt. Jetzt droht diese Tradition zu zerbrechen. Noch ist es aber nicht zu spät.

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