Auf dem Weg zu einem KongressDas Konzil „eröffnen“

Ein Interdisziplinärer und Internationaler Kongress 50 Jahre nach Abschluss des Konzils, der für den 6. bis 8. Dezember 2015 in Planung ist, möchte möglichst alle theologischen Fachdisziplinen innerhalb des deutschsprachigen Raums zusammenführen. Hier sollen jene Überzeugungen, die das Zweite Vatikanische Konzil geäußert hat, theologisch weiter bedacht und für die Zukunft von Theologie und Kirche erschlossen werden.

Am 8. Dezember 1965 wurde das Zweite Vatikanische Konzil feierlich beendet. Noch 50 Jahre danach ist seine Rezeption alles andere als abgeschlossen. Allein schon deshalb, weil die Diskussion über die Hermeneutik des umfassenden Textcorpus nach wie vor in vollem Gange ist, die Frage der Verbindlichkeit dieses Pastoralkonzils noch immer kontrovers beantwortet und der so genannte Geist des Konzils oft divergent bestimmt wird.

Nicht zuletzt haben die Konzilsväter selbst bestimmte Fragen, wie etwa nach dem Verhältnis von Universal- und Ortskirche oder der strukturellen Einbindung des Primats in eine communio-Ekklesiologie, ganz bewusst der nachkonziliaren Theologie überlassen und aufgegeben. Überdies sind seit dem Konzil politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische und andere Veränderungen und Prozesse eingetreten, welche das Konzil noch nicht im Blick haben konnte, die heute aber Theologie und Kirche herausfordern, die theologischen Grundlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils weiter auszuziehen und unter ihrem Anspruch nach zukunftsweisenden Antworten zu suchen.

So betrachtet wird das Zweite Vatikanische Konzil im Dezember 2015 zwar schon seit 50 Jahren beendet, seine Rezeption und Verwirklichung aber mitnichten abgeschlossen sein – ganz im Gegenteil: Wenn Walter Kasper vor 25 Jahren konstatierte, dass die Kirche mit der Verwirklichung des vorläufig letzten Konzils noch längst nicht am Ende sei, ja sie damit kaum erst recht angefangen habe (Zukunft aus der Kraft des Konzils. Die außerordentliche Bischofssynode ’85. Die Dokumente mit einem Kommentar von Walter Kasper, Freiburg 1986, 109), so hat dieser Befund auch heute noch uneingeschränkte Gültigkeit.

Was wird aus den reformerischen Impulsen?

Beispielsweise ist bis heute keineswegs hinreichend ausdiskutiert und geklärt, welche Konsequenzen sich aus dem Bekenntnis zur Religions- und Gewissensfreiheit für das Freiheitsverständnis der Kirche, ihre Strukturen sowie für ihr Verhältnis zur modernen Freiheitskultur ergeben; inwiefern sich ausgehend vom Bekenntnis zum Laienapostolat und zum Glaubenssinn aller Gläubigen die gesellschaftlich-demokratischen Prozesse auch in synodal-kollegialen Kirchenstrukturen abzubilden haben, welche Mitwirkung und Mitsprache aller garantieren und fördern; wie im Dialog mit der Welt sowie mit anderen, nicht-christlichen Religionen die zunehmende gesellschaftliche, weltanschauliche, religiöse Pluralität theologisch einzuordnen und zu bewerten und der Missionsauftrag der Kirche zu bestimmen ist.

Offen ist auch, wie die Wertschätzung der ökumenischen Bewegung und die ökumenischen Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils methodisch so fruchtbar gemacht werden können, dass die in der Ökumene erzielten Annäherungen für die Kirchenleitungen Verbindlichkeit erlangen; was das konziliare Zugeständnis einer gewissen Autonomie an die Wissenschaft hinsichtlich der Kirchlichkeit der Theologie und der Rolle des kirchlichen Lehramtes austrägt. Dazu kommen die Fragen, welche Schlüsse aus der dialogischen Grundstruktur der Offenbarung im Blick auf die Funktionen, Kompetenzen und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Bezeugungsinstanzen des Wortes Gottes in der Kirche zu ziehen sind; was die konziliare Rede von den „Zeichen der Zeit“ ausgehend von einer inkarnatorischen Denkkategorie genau besagt oder welche theologische Normativität von geschichtlichen Ereignissen und Prozessen als Quelle göttlicher Selbstmitteilung ausgeht. Noch immer gibt das Zweite Vatikanische Konzil der Theologie und Kirche Aufgaben mit auf den Weg, die weder als nebensächlich abgetan noch als erledigt betrachtet werden können.

Überdies wird die rezeptionelle Situation dadurch brisant, dass die gegenwärtige und kommende Theologengeneration, für die das Konzil bereits Geschichte ist, wesentlich darüber mit entscheiden werden, ob seine programmatischen und reformerischen Impulse dem geschichtlichen Vergessen anheimfallen oder aber die zukünftige Basis sein werden, auf der nach einer Verheutigung des Evangeliums immer wieder neu zu ringen sein wird.

Was der Kongress leisten soll

Am 13. Januar 1964 bemerkte Karl Rahner rückblickend auf die zweite Konzilsperiode: „Ein Konzil ist mit allem, was es beschließt und lehrt, Anfang nur und Dienst. Das Konzil kann nur Weisungen geben und Wahrheiten lehrhaft aussprechen. Und darum ist es nur Anfang. Denn danach hängt alles davon ab, wie diese Weisungen ausgeführt werden und ob diese Wahrheiten in glaubende Herzen fallen und dort Geist und Leben zeugen. Das aber hängt nicht vom Konzil selbst ab, sondern von der Gnade Gottes und von allen Menschen der Kirche und ihrem guten Willen. Und darum ist ein Konzil bloß ein Anfang. Die Erneuerung der Kirche geschieht nicht auf dem Konzil und durch seine Dekrete, sondern danach“. (Die zweite Konzilsperiode, in: Oberrheinisches Pastoralblatt 65 [3/1964], 68–82, hier 81). Der kirchliche Erneuerungsprozess unter dem Anspruch des Zweiten Vatikanischen Konzils befindet sich noch immer in der Anfangsphase.

Im Februar 2012 hat sich eine Initiativgruppe gebildet, um einen groß angelegten Internationalen Kongress anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils vorzubereiten. Dem Kongresspräsidium gehören an: Franz Xaver Bischof (München), Marianne Heimbach-Steins (Münster), Johanna Rahner (Kassel/Tübingen), Christoph Böttigheimer (Eichstätt), René Dausner (Eichstätt), Peter Hünermann (Tübingen), Benedikt Kranemann (Erfurt), Joachim Schmiedl (Vallendar) und Josef Wohlmuth (Bonn). Ziel des Kongresses wird sein, die theologischen Potenziale und offenen Fragen des letzten Konzils im Horizont der heutigen kirchlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen einer Bearbeitung durch alle deutschsprachigen Theologinnen und Theologen aller Disziplinen zuzuführen.

Vor allem prospektiv ausgerichtet

Das bedeutet, dass auf dem dreitägigen Kongress der Blick nicht nur retrospektiv, sondern vor allem prospektiv ausgerichtet sein wird, um ausgehend von der konziliaren Basis die genannten offenen Fragen und damit verbunden die theologische Diskussion zwischen allen theologischen Disziplinen voranzutreiben. Damit soll zugleich die bleibende theologische Relevanz dieses Konzils unterstrichen, die Außenwahrnehmung der katholischen Theologie gestärkt und ihrer drohenden Zersplitterung entgegenwirkt werden.

Hauptbestandteil des Kongresses wird die Arbeit in zwölf Workshops sein, welche interdisziplinär arbeiten und mit internationalen Referentinnen und Referenten besetzt sein werden, die großteils schon zugesagt haben. Alle deutschsprachigen Theologinnen und Theologen werden eingeladen werden, sich entsprechend ihres je eigenen wissenschaftlichen Profils in die Workshops aktiv einzubringen. Die Ausschreibung des groß angelegten, interdisziplinären Fachkongresses, dessen Gelingen natürlich vom Einwerben der nötigen Drittmittel abhängt, wird rechtzeitig erfolgen.

Um die aktuellen Frage- und Problemstellungen herauszuarbeiten, die in den einzelnen Workshops aus dem Geist des Konzils bearbeitet werden sollen, konnten mittlerweile beinahe 40 Theologinnen und Theologen aus allen theologischen Disziplinen zur Mitarbeit gewonnen werden. Im Einzelnen werden folgende zwölf Themenfelder im Zentrum des Kongresses stehen: 1) Kirche und Freiheit; 2) Das Gottesvolk, seine Verfassung und die Herausforderungen der modernen Gesellschaft; 3) Kirche und Kirchen; 4) Glaube und Bildung; 5) Diakonie und Mission; 6) Das einzigartige Verhältnis von Judentum und Christentum; 7) Theologie als Wissenschaft im Konzert der Wissenschaften; 8) Liturgie und Inkulturation; 9) Glaube – Informationsgesellschaft – Kultur; 10) Theologie, Lehramt und Glaubenssinn der Gläubigen; 11) Offenbarungsanspruch und Pluralität der Religionen; 12) Schöpfung und Ökologie.

Sind die Themen der einzelnen Workshops auch breit gestreut, so soll ihre Zielsetzung doch einheitlich sein: die Erarbeitung von theologischen Perspektiven bis hin zu Verpflichtungen für ein zukünftiges theologisches Arbeiten unter dem Anspruch des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Ziel- und Zukunftsperspektiven werden innerhalb der Workshop-Konzeption besondere Berücksichtigung finden und anschließend in Gestalt konkreter Thesen der Öffentlichkeit präsentiert.

Ein „Anfang des Anfangs“

Es war Karl Rahner, der vier Tage nach dem feierlichen Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, also am 12. Dezember 1965, bei einem Festakt im Münchner Herkulessaal vom Konzil als „Anfang des Anfangs“ sprach (Karl Rahner, Das Konzil – ein neuer Beginn. Mit einer Hinführung von Karl Kardinal Lehmann, Andreas Batlogg und Albert Raffelt, [Hg.], Freiburg 2012, 37). Unter anderem führte er aus: „Freilich wird es lange dauern, bis die Kirche, der ein II. Vatikanisches Konzil von Gott geschenkt wurde, die Kirche des II. Vatikanischen Konzils sein wird“ (47). Heute wissen wir, wie Recht er haben sollte.

In Anknüpfung an Rahners Einschätzung und in Fortführung seines Anliegens, dass die Impulse und Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils die Gestalt der Kirche in der Welt von heute prägen und ihr den zukünftigen Weg weisen mögen, wurde als Austragungsort für den Kongress München gewählt, genauer die Katholische Akademie in Bayern, welche auch als Kooperationspartner gewonnen werden konnte. Beginn des Kongresses wird am Sonntagnachmittag, den 6. Dezember 2015, in der Katholischen Akademie sein und Ende am Dienstag, den 8. Dezember 2015, mit einem Pontifikalgottesdienst im Liebfrauendom in München, dem Reinhard Kardinal Marx vorstehen wird. Erfreulicherweise hat er im Vorfeld bereits sein Interesse an dem Projekt bekundet und seine Unterstützung zugesagt. Ebenso ist es eine große Ehre, dass Karl Kardinal Lehmann, der sich um die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils im höchsten Maße verdient gemacht hat, sich bereit erklärte, als Ehrenpräsident dem Kongress vorzustehen.

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