Zur Praxis von Zweit- und Drittehen in der Orthodoxie„… besser, zu heiraten, als zu brennen“

In der Diskussion über das Apostolische Schreiben „Amoris Laetitia“ und die Frage nach einem möglichen Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen wurde immer wieder auf die Praxis der orthodoxen Kirchen verwiesen. Wie aber sieht diese überhaupt aus?

Orthodoxe Hochzeit
© KNA

Die Nichtzulassung zur Kommunion, die die römisch-katholische Kirche bei wiederverheirateten Geschiedenen im Regelfall praktiziert, ist ein strittiges Thema, das über diese Kirche hinaus heftig diskutiert wird. Mit Blick auf die Praxis der orthodoxen Kirche, die eine zweite, ja auch eine dritte Ehe erlaubt, erwarten viele Betroffene von ihr eine ökumenische Hilfestellung, zumal diese orthodoxe Praxis auch in Zeiten der stärkeren Konfrontation zwischen den beiden Kirchen nicht als maßgebliches Problem empfunden wurde.

Nach den Worten Christi ist die Ehe unauflöslich (Mt 19,3ff.). Dies lehren sowohl die orthodoxe als auch die römisch-katholische Kirche. Doch hat die Kirche im Osten in ihrer pastoralen Praxis seit früheren Zeiten festgestellt, dass die christliche Ehe unter den Bedingungen dieser Welt ein Ende finden kann – sei es aufgrund des Todes eines der Ehepartner oder einer Scheidung, die in der Orthodoxie auch kirchlich möglich ist. Deswegen lässt sie bis heute eine zweite und dritte Eheschließung zu, die sie gottesdienstlich begleitet. Was sind die Bedingungen und Konsequenzen der Wiederheirat? Ein Blick auf den Traugottesdienst kann hier weiterhelfen.

In der orthodoxen Kirche sind die Gottesdienstordnungen seit Jahrhunderten festgelegt, deshalb scheinen sie in Stein gemeißelt zu sein. Dies verbietet allerdings nicht die Abfassung neuer Texte, um ein neu eingeführtes Fest (etwa den „Tag der Schöpfung“) oder einen neuen Heiligen liturgisch zu würdigen. Die Unveränderlichkeit der Gottesdienste betrifft sowohl die Gebete als auch die Lesungen der jeweiligen Feier.

Der orthodoxe Traugottesdienst

Die Evangelienlesung der „Ordnung der Krönung“ (Eheschließung) ist Joh 2,1–11 entnommen. Es fällt auf, dass sich die Kirche die Geschichte der Hochzeit zu Kana, die ihren Höhepunkt im ersten Wunder Christi – der Wandlung des Wassers zu Wein – findet, dafür ausgesucht hat, obwohl die Evangelien andere Stellen beinhalten, bei denen Jesus über die Unauflöslichkeit der Ehe spricht. Das gilt etwa in seinem Gespräch mit den Pharisäern in Mt 19,1–12 beziehungsweise Mk 10,1–12, wo auch auf Gen 2,24 („sie werden ein Fleisch“) hingewiesen wird.

Mit dieser Wahl wollte die Kirche das Mysterium der Ehe auch nicht mit jenen Worten Jesu über Unzucht, Ehebruch und Scheidung in Verbindung setzen. Vielmehr sollte die Teilnahme, ja die Mitwirkung Jesu bei dieser Hochzeit zu Kana in Erscheinung treten: Jesus geht zu dieser Hochzeit mit seiner Mutter und seinen Jüngern, er nimmt an der siebentägigen Feier teil, er schenkt, wie es üblich war, dem Brautpaar den guten Wein. Alles andere über die große sakramentale Bedeutung der Ehe und ihre Entsprechung zur Beziehung zwischen Christus und der Kirche („Dieses Mysterium ist groß; ich sage es aber in Bezug auf Christus und die Kirche“, Eph 5,32), deren Ikone sie ist, sowie über ihre Unauflöslichkeit (der erwähnte Bezug auf Christus und die Kirche sowie der Satz „die zwei werden zu einem Fleisch werden“, Eph 5,31; vgl. Gen 2,24) wird in der Epistellesung dargelegt. Sie geht der Evangelienlesung voran und wirkt in markanter Weise wie eine Katechese an das Brautpaar (sowie an alle anderen, die dort Erwähnung finden …).

Indem in den Gebeten des Traugottesdienstes bekannte Paare aus der Heiligen Schrift, die eine herausragende Rolle für das Mysterium der Heilsökonomie gespielt haben, erinnert werden (Adam und Eva, Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und Rahel, Joseph und Asyneth bis hin zu Zacharias und Elisabeth), werden die Brautleute mit ihnen in Verbindung gesetzt. In diesen Gebeten wird für die nun Vermählten unter anderem um langes Leben, Besonnenheit, gegenseitige Liebe, Nachkommenschaft und Freude am Familienleben gebetet.

Die Vereinigung zu einem Fleisch wird sichtbar gemacht durch die Krönung der Brautleute („… kröne sie zu einem Fleisch“) mit den dafür angefertigten Kränzen (mancherorts auch mit Kronen), weswegen der Gottesdienst der Eheschließung auch „Gottesdienst der Krönung“ heißt. Die Krönung findet vor der Epistellesung statt, in der ebenfalls von dem Einswerden zu einem Fleisch die Rede ist. Erst dann folgt die Evangelienlesung mit der Geschichte der Hochzeit zu Kana. Die Verbindung der gegenwärtigen Hochzeit mit jener Hochzeit zu Kana wird durch das Trinken von Wein aus dem gemeinsamen Ehe-Kelch kurz nach dem Evangelium sichtbar. Währenddessen wird „der Kelch des Heils“ besungen.

Die gottesdienstliche Freude findet ihren Höhepunkt in einer dreifachen Prozession des Priesters, des Brautpaars und der Trauzeugen. Der dabei gesungene Christushymnus beginnt mit den Worten „Tanze Jesaia!“, weshalb dieser Moment auch als „Tanz des Jesaia“ bezeichnet wird. Auch dies deutet darauf hin, dass es sich hier um ein fröhliches und Freude bereitendes Ereignis im Leben der Menschen handelt; deshalb nennt der griechische Volksmund die Trauung einfach „Freude“ (Chará).

Wenn man vor diesem Hintergrund jede kirchliche Eheschließung in der Orthodoxie versteht, wird man wahrscheinlich beim Lesen der „Ordnung der Zweitehe“ schwer enttäuscht: Die zweite und die dritte kirchliche Eheschließung haben in der orthodoxen Kirche eine andere gottesdienstliche Form, welche deutlich macht, dass sie nicht als ebenbürtig empfunden werden.

Nach der Vorschrift des Patriarchen von Konstantinopel, Nikephoros des Bekenners (gestorben 828), soll derjenige oder diejenige, der beziehungsweise die eine zweite Ehe eingeht, Buße üben; sogar über eine längere Zeit, wenn es sich um die dritte Ehe handelt: „Wer eine zweite Ehe eingeht, wird nicht gekrönt, vielmehr wird ihm auferlegt, zwei Jahre lang nicht an der heiligen Eucharistie teilzunehmen; wer eine dritte Ehe eingeht, fünf Jahre lang“. Ohne die Krönung wird das liturgische Geschehen schlichter und freudloser gestaltet. Bei der Antwort des seligen Niketas (11./12. Jahrhundert), Metropolit von Herakleia, auf eine entsprechende Frage wird die Strenge der vorigen Vorschrift gemildert: „Bei genauer Einhaltung (Akribeia) der heiligen Kanones wurden diejenigen, die eine zweite Ehe eingehen, nicht gekrönt. Doch die Gewohnheit der Großen Kirche (des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel) befolgt dies nicht, sondern setzt auch denen, die eine zweite oder dritte Ehe schließen, die bräutlichen Kränze/Kronen auf, und niemals ist deshalb einer getadelt worden. Indes werden sie für ein oder zwei Jahre von der heiligen Kommunion ausgeschlossen. Auch ist es dem Priester, der die Trauung vollzieht, gemäß dem siebten Kanon der Synode von Neokaisareia (vom Jahr 315) nicht gestattet, mit ihnen zu speisen“.

Wenn auch kürzer, gilt hier ebenfalls der Ausschluss von der Kommunion; zudem wird auch an das Fernbleiben des Priesters vom Hochzeitsmahl erinnert. Wenn man die Ikone der Hochzeit zu Kana mit dem anwesenden Christus vor Augen hat, stellt das Fernbleiben des Priesters einen besonderen Mangel dar. Des Weiteren findet sich der Gottesdienst der zweiten Eheschließung im „Archieratikon“ (Pontificale), dem liturgischen Buch des Bischofs, nicht; dies ist wohl ein Zeichen dafür, dass ein Bischof einen solchen Gottesdienst nie feiern sollte.

Der andere Charakter dieses Gottesdienstes wird direkt zu Beginn erkennbar, wenn der Priester nicht wie beim Gottesdienst der Krönung ausruft: „Gesegnet (sei) das Königtum des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …“, wie bei der Eröffnung der Göttlichen Liturgie, sondern den einfachen Anfangssegen: „Gesegnet (sei) unser Gott …“. Dies zeigt, dass dieser Gottesdienst nie im Rahmen einer Göttlichen Liturgie stattgefunden hat, wie es früher bei der Krönung der Fall sein konnte.

Aus der langen Reihe der Paare der Heiligen Schrift, die bei der Krönung erwähnt werden, sind hier nur Isaak und Rebekka zu finden. Die weiteren Gebete sind in diesem Gottesdienst deutlich kürzer und haben einen ausgeprägten Bußcharakter: „Du, Gebieter, (…) einige Deine Knechte N. und N. durch die Liebe zueinander, schenke ihnen die Umkehr des Zöllners, die Tränen der Hure, das Bekenntnis des Räubers, damit sie durch Buße aus ihrem ganzen Herzen in Eintracht und Frieden Deine Gebote verrichten und so Deines Königtums gewürdig werden“. Christus, der unseren „Schuldschein zerrissen und uns aus der Gewaltherrschaft des Teufels erlöst“ hat, wird angefleht, seinen Knechten, die nun eine zweite oder dritte Ehe eingehen, „ob ihrer Gesetzlosigkeit“ gnädig zu sein, „da sie die Hitze und die Last des Tages und das Brennen des Fleisches nicht ertragen können“. „Wie Du durch Dein ausgewähltes Werkzeug, den Apostel Paulus, verfügt hast, als Du für uns Geringe sagtest: Vor dem Herrn ,ist es besser, zu heiraten, als zu brennen‘“.

Nach diesen Gebeten geht man davon aus, dass Gott durch seine Menschenliebe sich der Eheleute erbarmt hat, sodass der Gottesdienst mit den gleichen Elementen wie beim Gottesdienst der Krönung weitergeht, die als Höhepunkt der Freude betrachtet werden können: Krönung, gemeinsames Trinken aus dem Ehe-Kelch, Prozession („Tanz des Jesaia“).

Dieser Text zeigt die Sichtweise der Kirche im Hinblick auf ihre Gläubigen: Sie können ihr Heil durch ganzheitliche Umkehr und Buße erreichen. Es gab auch die Tradition, dass früher mancherorts bei der zweiten Ehe die Hochzeitskränze auf die Schultern der Brautleute gelegt wurden, damit sie über deren Gewicht reflektieren können. Es geht also nicht bloß um eine zweite oder dritte Eheschließung, um eine bedingungslose kirchliche Wiederheirat, sondern vielmehr um einen Akt der Offenbarung der Menschenliebe Gottes, der aus seelsorgerlichen Gründen und als Zugeständnis der Kirche an die menschliche Schwäche geschieht.

Die Kategorien, in denen sich die orthodoxe Kirche bewegt, sind also nicht die eines Rechtssystems, das die Eheschließung als einen Vertrag zweier rechtsfähiger Personen betrachtet, der gekündigt wird, wenn einer der Vertragspartner seine Pflichten verletzt oder wenn es keinen Vertragsgegenstand mehr gibt, oder der erlischt, wenn es den einen Vertragspartner nicht mehr gibt. Es fällt auf, dass die Ordnung der zweiten Trauung für all diejenigen Paare bestimmt ist, bei denen einer der Brautleute oder beide eine zweite oder dritte Ehe eingehen. Für die Kirche ist nicht von Belang, ob etwa einer von ihnen nie verheiratet war. Auch eine Klärung der Schuldfrage im Falle einer Scheidung hätte keine Auswirkung auf die Gottesdienstordnung. Es hebt auch die Bedeutung der ersten Ehe in besonderer Weise hervor.

Orthodoxen Priestern ist die Wiederheirat bisher verboten

Dies lässt sich auch über folgende Ausnahme sagen: Dem orthodoxen Priester wird von jeher eine zweite Ehe nicht gestattet, und dies unabhängig davon, ob er geschieden oder verwitwet ist. In Anbetracht der gesellschaftlichen Strukturen der heutigen Welt (besonders unserer westlichen) und der damit verbundenen Probleme, die ein verwitweter Priester, der auch Kinder hat, bewältigen muss, scheint dieses Verbot wenn nicht unmenschlich, so doch zumindest überholt zu sein. Diese Frage wurde auch beim Heiligen und Großen Konzil der Orthodoxen Kirche (Kreta 2016) erörtert, doch unter Berufung auf die bisherige Praxis nicht gelöst.

Aus diesem Grund findet man im Konzilstext über „Das Mysterion der Ehe und seine Hindernisse“ auch folgende Formulierung: „Das Priestertum stellt als solches kein Hindernis für eine Ehe dar, aber gemäß der praktizierten kanonischen Tradition (3. Kanon des Konzils in Trullo) ist nach der Weihe die Eheschließung verboten“. Anfang September wurde jetzt allerdings gemeldet, dass die Heilige Synode des Ökumenischen Patriarchats einen historischen Beschluss gefasst hat, verwitweten oder von ihren Frauen verlassenen Klerikern die zweite Ehe zu gestatten. Dies gelte nicht für diejenigen, die selbst ihre Frauen verlassen hätten. Für die Zusicherung des Ausnahmecharakters dieser neuen Regelung soll jeder Fall eigens von der Heiligen Synode geprüft werden. Gottesdienstlich soll dies auch hier anders gestaltet werden: ein einfaches Gebet im Familienkreis. Ein offizielles Schreiben, das die Richtlinien bekanntmachen und die Modalitäten regeln wird, steht noch aus.

Im gleichen Konzilstext wird übrigens die zweite oder dritte Ehe mit keinem Wort erwähnt. Man kann natürlich behaupten, dass es sich bei der zweiten oder dritten Ehe um eine bloße Anpassung des orthodoxen Kirchenrechts und der pastoralen Praxis an das Zivilrecht und die gesellschaftlichen Gewohnheiten handele: Der zivilen Ehescheidung folgt automatisch die kirchliche Scheidung mit der Möglichkeit einer zweiten oder dritten Eheschließung. Abgesehen davon, dass alles, was in der Kirche in ihrer Tradition gelebt und bewahrt wird und in ihrem Kirchenrecht Niederschlag findet, ein biblisches Fundament hat (in diesem Fall beispielsweise Mt 19,1–12 oder 1 Kor 7,1–16), hat die Orthodoxie eine vierte kirchliche Eheschließung immer abgelehnt, selbst wenn sie womöglich aus pastoralen Gründen erforderlich erschien.

So geschah es auch im Fall des oströmischen (byzantinischen) Kaisers Leo VI., des sogenannten Weisen. Als seine ersten drei Frauen, mit denen er vermählt war, gestorben waren (Theophano, gestorben 893 oder 897; Zoe Zaoutzaina, gestorben 899; Eudokia, gestorben 901) und die Thronfolge nicht gesichert war, wollte er seine Geliebte Zoe Karbonopsina heiraten, die ihm 905 einen unehelichen Sohn und daher illegitimen Thronfolger geschenkt hatte. Kurz nach der Geburt und mit der Hilfe eines Priesters, der dazu bereit war, machte Leo Zoe zu seiner vierten Ehefrau. Als pastoraler Grund dafür sollte die Staatsräson dienen.

Da aber der Patriarch von Konstantinopel, Nikolaos I. Mystikos, ihm nicht nur die Anerkennung, sondern auch den Eintritt in die Hagia Sophia verwehrt hatte, holte Leo einen Dispens von Papst Sergius III. ein, die ihm mit der Auflage, seine vierte Ehefrau nicht zur Kaiserin zu legitimieren, erteilt wurde. Patriarch Nikolaos wurde dann abgesetzt; Euthymius I. Synkellos, der ihm auf den Thron folgte, erkannte die Ehe zwar an, setzte aber den Priester, der dem Kaiser geholfen hatte, ab. Der Tetragamiestreit („Tetragamie“: Viererehe), den der Skandal um Leos vierte Eheschließung ausgelöst hatte, der auch von Rom für geopolitische Zwecke auf dem Balkan benutzt wurde und zu einer kurzzeitigen Trennung zwischen Rom und Konstantinopel führte, wurde erst Mitte 923 beigelegt, nachdem die Legaten des Papstes Johannes X. in Konstantinopel Leos Tetragamie verdammt hatten. Dies geschah in der Regierungszeit des Kaisers Konstantin VII. des Porphirogenitus, des oben genannten einzigen Sohnes Kaisers Leo.

Der Mensch ist nicht für den Sabbat erschaffen

Die Ordnung der Krönung ist in allen Fällen durchaus mit einer „Regie“ verbunden, die die Freude des Geschehens zum Ausdruck bringen soll: Krönung, Trinken aus dem gemeinsamen Kelch, „Tanz des Jesaia“ und anderes mehr. Die Gottesdiensthäuser werden entsprechend dekoriert; die Brautleute, die Trauzeugen, die Verwandtschaft und die Gäste sind feierlich gekleidet. Der Zeremonie soll es nicht an Glanz mangeln, da man feiert, dass etwas Einmaliges passiert. Auf die Freude, die die liturgischen Texte ausdrücken, scheint in der Regel keiner wirklich zu achten. Wenn also die gleiche „Regie“ und das gleiche „Bühnenbild“ auch bei einer zweiten und dritten Ehe Verwendung finden und die aus diesem Anlass zu Umkehr und Buße mahnenden Gebete gleichermaßen unbeachtet bleiben, ist es durchaus konsequent, dass man zwei äußerlich gleichscheinende Zeremonien als ebenbürtig erachtet und zum Ergebnis kommt: Die orthodoxe Kirche lässt ohne Weiteres eine zweite und sogar eine dritte Heirat zu.

Aufgrund der Zulassung zu einer zweiten oder dritten kirchlichen Eheschließung kann man der orthodoxen Kirche trotz des hohen Werts, den sie der (ersten) Ehe beimisst, Nachgiebigkeit gegenüber zeitbedingten gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen Gewohnheiten vorwerfen. Bei einer genauen Betrachtung des theologischen und liturgischen Rahmens, in dem dies geschieht, erscheint aber ihre Praxis als Folge einer Pastoral der Menschenliebe, der Oikonomia, nach der nicht der Mensch für den Sabbat erschaffen wurde, sondern der Sabbat für den Menschen.

Dass der orthodoxe Gläubige womöglich nicht in der Lage ist, diese „theologischen Feinheiten“ zu erkennen, zeugt primär von einem Mangel an Katechese. Wenn sich hier eine Laxheit eingeschlichen hat, darf dies nicht zu einer gleichmacherischen Arithmetik der Eheschließungsmöglichkeiten in der orthodoxen Kirche führen. Mit dieser Laxheit begründen einige römisch-katholische Theologen auch ihre ablehnende Haltung zu einer Änderung der Praxis ihrer Kirche.

Dass aber unter den genannten Voraussetzungen die Anwendung dieser bewährten Pastoral der orthodoxen Kirche eine ökumenische Hilfestellung für die römisch-katholische Kirche zur Zulassung ihrer wiederverheiratet geschiedenen Gläubigen zur Kommunion (Nach einer gewissen Bußzeit? Mit bestimmten Auflagen?) sein kann, ist naheliegend. Denn es ist besser, zu heiraten, als zu brennen.

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