Zur Auseinandersetzung über die KatecheseFragen und verstehen

Katechese hat das Ziel, den Glauben kennen- und verstehen zu lernen. Dazu braucht es auch den Katechismus. Das persönliche Zeugnis von Lehrern und Katecheten ist wichtig, sollte aber nicht überstrapaziert werden.

Mit seinem Beitrag „Der verlorene Schlüssel – Warum Katechese den Katechismus braucht“ (vgl. HK, Januar 2017, 30–32) trifft Bernhard Meuser einen wunden Punkt heutiger Gestalt von Katechese und Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum. Es ist erfreulich, dass mit Clauß Peter Sajak ein ausgewiesener Fachmann und Kenner der Szene antwortet: sachlich, kenntnisreich, differenziert (vgl. HK, Februar 2017, 47–50).

Doch seine Antwort beruhigt nicht, denn „ohne Zweifel ist die Situation der beiden großen christlichen Kirchen in unserem Land besorgniserregend“, wie Sajak gleich zu Beginn seines Beitrags konstatiert. Auch Benedikt XVI. hat es im Blick auf das „Jahr des Glaubens“ betont: Dieses Jahr müsse zugleich „ein Jahr des Katechismus“ werden; denn, so fährt er fort, ein „großes Problem der gegenwärtigen Kirche ist der Mangel an Glaubenskenntnis, ist der ,religiöse Analphabetismus‘“. Wir müssten „alles tun, was möglich ist, für eine katechetische Erneuerung“ (Osservatore Romano [dt.], Nr. 10, 9. März 2012, 8).

Als Universitätslehrer kann ich vorhandenes und nichtvorhandenes Glaubenswissen an signifikanter Stelle wahrnehmen. Ich rede die Studierenden der Theologie gewiss nicht schlecht, wenn ich feststelle: Es gibt derzeit zwei Gruppen von Studienanfängern, solche, deren spezifisches Glaubenswissen ungefähr den Stand ihrer nicht vorhandenen Glaubenspraxis und ihrer fehlenden kirchlichen Identifikation widerspiegelt, und solche, die „glühen“.

Die erste Gruppe hat unseren schulischen Religionsunterricht durchlaufen und ist im Rahmen der Gemeindekatechese zur Beichte, Kommunion und Firmung geführt worden, sonst nichts. Sie wählt das Fach Theologie häufig aus sekundären Motiven, etwa weil man im Religionsunterricht „gut reden konnte“. Die anderen kommen immer häufiger aus den neuen geistlichen Gemeinschaften und aus der Charismatischen Erneuerung. Nicht wenige von ihnen haben Biografien mit echten Konversionen vorzuweisen. Sie wissen vom Glauben viel und haben gute Formationen durchlaufen, wie sie in ihren geistlichen Beheimatungen geboten werden. Sie suchen Gott und wollen Theologie studieren, um sich tiefer in eine Mission hineinnehmen zu lassen.

Deutscher Sonderweg

Die Katechese hat im deutschsprachigen Raum einen Sonderweg beschritten, der aus bekannten und nachvollziehbaren Gründen von der Weltkirche nicht weiter beachtet und rezipiert wurde. Derzeit pilgern Delegationen aus deutschen und österreichischen Bistümern auf die Philippinen, um die Wunder pastoraler und katechetischer Erfolge zu besichtigen (vgl. HK, März 2016, 41–43). Sollten wir nicht endlich auch in Deutschland in der Katechese katholisch, also weltweit denken? Müssten wir unseren speziellen Weg nicht immer wieder auch kritisch an der Realität überprüfen? Man sollte diesen Weg nicht schlecht reden und kann ihn schon gar nicht für den Niedergang der Volkskirche verantwortlich machen. Doch muss in der Katechese mehr getan werden als in den letzten dreißig Jahren getan wurde.

Wo Bernhard Meuser, der an der Entstehung des „Youcat“ beteiligt war, pro domo spricht, tut er es mit guten Argumenten. Man darf sich ja fragen, warum es hierzulande 400 000 verkaufte Exemplare eines theologischen Buches gibt, das von der Zunft nicht wahrgenommen oder geflissentlich ignoriert wird. Jeder, der nur einigermaßen über Auflagenzahlen im theologischen Segment informiert ist, weiß, dass das Harry-Potter-Dimensionen sind. Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis, das von der Branche nicht bedient wird.

Doch zweifellos hat Sajak recht, wenn er behauptet, dass es „schwierig“ sei, wenn vom Katechismus erwartet werde, „auf der einen Seite katholisches Glaubensgut organisch und vor allem vollständig“ darzulegen, „auf der anderen Seite“, dass er „in die Lebenswelt der Menschen übertragen und für die religiöse Bildung verwendet werden“ solle. Und doch, genau darum geht es! Nicht umsonst haben sich in der Kirchengeschichte oft die besten Köpfe um eben diese Aufgabe bemüht: Petrus Canisius, Karl Borromäus, auch Martin Luther, der neben der Schrift „Vom unfreien Willen“ die beiden Katechismen als seine bedeutendsten Leistungen erachtete. Er stellte sie sogar über seine Bibelübersetzung. Auf katholischer Seite war 400 Jahre der Catechismus Romanus in Geltung. Er hat erheblich zur Kirchenreform beigetragen und unzähligen Menschen den Glaubensweg gewiesen.

Meuser hat prägnant beschrieben, was ein Katechismus leistet, wenn er gut ist. Und Sajak hat recht, wenn er feststellt, dass „die Würzburger Synode“ (1971–1975) „dem Katechismus im deutschen Kontext eine neue Rolle zugewiesen“ habe. Sie hat dem Katechismus den Direktkontakt mit dem „Endkunden“ entzogen und ihn auf eine Metaebene entrückt: „Religiöses Lernen vollzieht sich (…) als Aneignung von ausgewählten und besonders geeigneten Gegenständen in der didaktischen Brechung von Darstellung und Reflexion. Dafür aber braucht man keinen Katechismus, sondern Unterrichtswerke und -materialien für die Schule und Gemeinde, die auf der Basis des Katechismus ausgewählte Themen anbieten“.

Zwar wird es nirgends verboten, den Katechismus als Fundgrube für die didaktische Weiterverarbeitung zu nutzen. Doch darin besteht nicht sein Telos. Die Katechismen haben bestimmte Adressaten: Der Weltkatechismus richtet sich an Bischöfe und Lehrer des Glaubens, das Kompendium zum Katechismus ist für den Volksgebrauch gedacht, der „Youcat“ will junge Menschen ansprechen.

Dass man unmittelbar und fruchtbar mit Katechismen arbeiten kann, wird jeder sehen, der einmal in den amerikanischen Katholizismus hereingeschnuppert hat. In den Gemeinden, auf großen Campusveranstaltungen im Sommer, im Unterricht – überall werden Katechismen benutzt, kommentiert, diskutiert. Es gibt Internetforen, auf denen Eltern, Lehrer und Gemeindehelfer rege diskutieren, welches Werk sie einsetzen, welche Erfahrungen sie damit machen und wie die Werke angenommen werden. Der Effekt ist: Viele amerikanische Jugendliche besitzen echtes Glaubenswissen.

Sajak schreibt die Legende fort, der „Youcat“ sei ein von langer römischer Hand eingefädeltes Vorhaben und keineswegs ein „Graswurzelprojekt“. Fakt ist aber: Es gab weder einen Wunsch noch einen Auftrag von kirchlicher Seite. Das Projekt geht vielmehr auf die Privatinitiative von zwei Laien und zwei Priestern zurück, die über Jahre hinweg ehrenamtlich und auf eigenes Risiko einen Jugendkatechismus erstellt haben. Der von Sajak erwähnte Beitrag des Wiener Kardinals bestand in Wohlwollen und dem allerdings wegweisenden Rat: „Wenn man etwas für Jugendliche macht, muss man es mit ihnen machen.“

Diesem Rat ist man nachweislich mit erheblichem Aufwand gefolgt. Kardinal Karl Lehmann hat das gewürdigt, als er sagte: „Der Katechismus wird also der Jugend nicht einfach vorgesetzt, sondern die Jugend selbst ist in einem hohen Maße durch ihre Fragen, aber auch durch einzelne sprachliche Vorschläge zum ,Subjekt‘ des Youcat geworden. Dies ist ein außerordentliches Zeugnis für die Erneuerung der Katechismus-Tradition, das man nicht genügend hervorheben kann. Darin liegt auch ein wirklich neues Zugehen auf die junge Generation.“ Auch hierzulande sollte „Youcat“ der direkte Zugang zum Adressaten ermöglicht werden: in der Schule (nicht als Lehrbuch, sondern eher als Referenzwerk) wie auch vor allem in der Gemeindekatechese.

Der christliche Glaube begegnet uns allzu oft noch wie in einem verschlossenen Umschlag. Dabei muss man den Umschlag nur öffnen, um zu erkennen: Der christliche Glaube hat nicht nur einen Inhalt, sondern er ist ein gemeinsamer Glaube, der dem Einzelnen wie auch der jeweiligen Gemeinschaft vorgegeben ist.

Wir sprechen von Tradition. Fragen helfen dabei, den überlieferten Glauben zu verstehen. Sie sind keine Glaubenszweifel, sondern Brieföffner für die überlieferte christliche Botschaft. Diese beansprucht nichts weniger als das „Wort Gottes“ zu sein (vgl. 1 Thess 2,13). Es sind die Glaubenden wie auch die Glaubensgemeinschaften, die Kirche insgesamt, die von diesem Glauben Rechenschaft abzulegen und diesen Glauben weiterzugeben haben. Der Glaube gründet auf Offenbarung, ist aber doch verstehbar. Glaube und Verstehen gehören zusammen. Ja, es ist notwendig, den Glauben zu verstehen, wenn er Frucht bringen soll (vgl. Mt 13,24). Wichtig ist es, dass man die notwendigen Fragen in der logisch richtigen Reihenfolge befolgt. Man vermeidet unnötige Komplikationen und gewinnt Einblick in das Gesamt des Glaubens. Es hat beispielsweise nicht den geringsten Sinn zu fragen, wie in zahlreichen Religionsbüchern üblich, ob Gott existiert, solange einem noch nicht einmal die Bedeutung des Wortes „Gott“ klar ist.

Sajak legt – wiederum zu Recht – Wert darauf, dass „religionspädagogisches Grundwissen“ beachtet wird. Er meint damit, dass es „von Anfang an nicht vornehmlich um die Übernahme von Wahrheiten aus einem lehramtlichen Katalog, sondern um die Inspiration der Katechumenen durch das begeisternde und authentische Zeugnis von Menschen“ geht. Doch dieses Zeugnis darf auch nicht überstrapaziert werden. Es gehört nämlich zum dogmatisch-systematischen Grundwissen, das religionspädagogisch wie pastoraltheologisch oft übersehen wird: dass die christliche Botschaft auch dann wahr ist, wenn der Überbringer dieser Botschaft moralisch-sittlich hinter dieser Botschaft weit zurückfällt.

Zweifellos drängt die christliche Botschaft von sich aus auch gerade den Zeugen dieser Botschaft dazu, sich nach der Botschaft zu richten. Tut er dies, so fällt es dem Angesprochenen zweifellos leichter, sich mit der Botschaft selbst zu befassen. Gerade dann aber erkennt dieser, dass die persönliche Heiligkeit des Zeugen nicht der entscheidende Grund für die Annahme der Botschaft sein darf (vgl. 1 Kor 1,10–17). Vielmehr ist – Gott sei Dank! – die Botschaft auch dann wahr, wenn der „Botschafter“ alles andere als ein authentischer Zeuge ist, ja selbst dann, wenn er bei der Verkündigung nur seinen eigenen Vorteil sucht (vgl. Phil 1,14–18).

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