PorträtMaria Magdalena: Hure, Urmutter, Apostelin?

Kaum eine biblische Gestalt hat so sehr die Phantasie angeregt, wie Maria Magdalena. Die Tradition sieht sie als „Apostelin der Apostel“, in der Populärkultur erscheint sie als vermeintliche Ehefrau Jesu. Franziskus empfiehlt sie Frauen nun als Vorbild.

Maria Magdalena
Maria Magdalena ist so heftig umstritten wie kaum eine andere Frau in der Bibel. Papst Franziskus ließ die Feier der Heiligen Maria Magdalena nun zum „Fest“ aufwerten und stellte sie damit den Apostelfeiern gleich.© KNA-Bild

In allen Evangelien spielt Maria Magdalena eine besondere Rolle bei Tod und Auferstehung Jesu. Sie bleibt in der Nähe, als Jesus am Kreuz stirbt, während die Jünger fliehen. Sie beobachtet seine Grablegung. Und am frühen Morgen nach der Sabbatruhe entdeckt sie zusammen mit anderen Frauen das leere Grab. Nach einer Engelerscheinung begegnet den Frauen auch der Auferstandene selbst. Im Johannesevangelium geht Maria alleine zum Grab, wo ihr Jesus erscheint. Erst hält sie ihn für einen Gärtner. Aber als er sie beim Namen ruft, erkennt sie ihn. Maria eilt zu den Jüngern und berichtet ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen“. Thomas von Aquin nennt sie darum „apostolorum apostola“: Sie verkündet den Aposteln die Auferstehung. Auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus wurde die Feier der Heiligen Maria Magdalena am 22. Juli jüngst vom „Gedenktag“ zum „Fest“ aufgewertet und damit den Apostelfeiern gleichgestellt, wie die vatikanische Gottesdienstkongregation kürzlich mitteilte. Die Heilige sei eine „Verkünderin der frohen Botschaft“ und damit „Beispiel und Modell für jede Frau in der Kirche“. Ganz neu ist die liturgische Aufwertung freilich nicht. Schon früher wurde die Heilige mit einem festum duplex geehrt – so, wie die Apostel. Erst im Zuge der liturgischen Reformen des 20. Jahrhunderts stufte man die Feier zu einem „Gedenktag“ herab.

Über das weitere Schicksal der Maria Magdalena berichten die Evangelien nichts. Gnostische Texte aus dem 2. und 3. Jahrhundert machen aus ihr eine Art „Lieblingsjüngerin“ Jesu, die von ihm ein besonderes, geheimes Wissen erhält, das sie später den Jüngern weitergibt – und die mit Petrus um die Nachfolge Christi konkurriert. Der Hauptstrom der christlichen Überlieferung weiß davon nichts. Trotzdem existiert auch hier ein Bedürfnis nach einem vollständigeren Bild. Schon Ephräm der Syrer setzt im 4. Jahrhundert Maria Magdalena mit weiteren Frauenfiguren des Neuen Testaments gleich: mit Maria von Bethanien, der Schwester von Martha und Lazarus, sowie mit der namenlosen Sünderin im 7. Kapitel des Lukasevangeliums, die Jesus die Füße salbt. Seit Gregor dem Großen wird diese Auffassung in der westlichen Tradition nahezu einhellig geteilt. Aus der „Sünderin“ wird in der weiteren Rezeption eine Prostituierte. Damit entsteht das spannungsvolle Bild einer Frau mit einer sexuell sündigen Vergangenheit, der Jesus ihre Sünden vergibt und sie von einer dämonischen Besessenheit befreit, die die Auferweckung ihres Bruders Lazarus von den Toten miterlebt und die seitdem Feuer und Flamme für ihren Herrn ist. Im Mittelalter entwickeln sich Legenden um das weitere Schicksal Maria Magdalenas. Die „Legenda Aurea“ erzählt im 13. Jahrhundert, Maria sei mit Lazarus, Martha und weiteren Gefährten nach Südfrankreich gelangt.

Die Römische Liturgie ist dieser Tradition gefolgt. Im alten Missale Romanum las man an ihrem Festtag in der Messe die Sünderinnen-Episode aus dem Lukasevangelium. Als einzige Person bezeichnete das Missale die Heilige als paenitens, als Büßerin. In der Neuzeit kamen allerdings historische Zweifel an der Identifikation der drei biblischen Figuren auf. Die Liturgiereform nach dem Konzil stellte darum Maria Magdalena als Zeugin der Auferstehung in den Mittelpunkt. Seitdem wird an ihrer Feier das Evangelium von der Begegnung mit dem Auferstandenen gelesen. Die Populärkultur freilich blieb von diesen Bereinigungen unberührt. Das Musical „Jesus Christ Superstar“ (1971) zeigt Maria Magdalena als in Jesus verliebte Ex-Prostituierte. Dan Brown schildert sie in seinem Roman „Sakrileg“ (2003) gar als Ehefrau Jesu und Mutter einer gemeinsamen Tochter sowie zentrale Gestalt eines Urmutter-Kultes. Seit den Achtzigerjahren entdeckt die feministische Theologie die „Apostelin“ für sich und blickt teilweise auch mit Sympathie auf die gnostischen Überlieferungen. Die Ausschmückungen und Übermalungen der Jahrhunderte lassen sich so leicht nicht ausradieren. Maria Magdalena als Vorbild zu empfehlen, bleibt darum riskant.

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